Dein Hund springt Besuch an? Er haut zum Jagen ab? Dein Hund pöbelt andere Hunde an?
Wenn du mit solchen Themen Rat suchst, dann bekommst du in Foren, Ratgebern und auch Hundeschulen eine Bandbreite von Tipps, um das Verhalten deines Hundes zu beeinflussen. Die einen raten dazu, den Hund für erwünschtes Verhalten mit Lob, einem Leckerli oder einem Spielzeug zu belohnen. Die anderen meinen, man müsse mit lauter Stimme durchgreifen, den Hund durch einen Schreckreiz in seinem Verhalten unterbrechen oder ihm sogar durch körperliche Härte sein Verhalten austreiben.
Aber Verhalten ist nicht bloß Verhalten. Es steckt mehr dahinter! Genau wie bei uns Menschen wird das Verhalten deines Hundes durch seine Bedürfnisse, sein Denken und seine Emotionen gesteuert. Dein Hund hat immer – aber auch wirklich immer – einen Grund für sein Verhalten.
Nahezu jedes „Problemverhalten“ hat seinen Ursprung darin, dass ein Bedürfnis nicht gestillt ist und der Hund selbstständig versucht, sich zu helfen. Das Verhalten kann man vielleicht (kurzfristig) abstellen – aber was macht das mit dem Bedürfnis, das dahinter steht und keine Beachtung findet?
Umgekehrt kannst du aber sehr wohl eine Verhaltensänderung bei deinem Hund erreichen, indem du sein Bedürfnis erkennst und befriedigst, sodass dein Hund nicht auf sich allein gestellt für sich sorgen muss.
Es lohnt sich, genau hinzuschauen, deinen Hund noch besser zu verstehen und eine Lösung zu finden, die euch beide glücklich macht!
Hier habe ich am Beispiel „Mein Hund bellt, wenn es an der Tür klingelt“ mal durchgespielt, welches Bedürfnis hinter dem Bellen steckt und wie du gleichzeitig deinem Hund helfen und zukünftig in Ruhe den Besuch begrüßen kannst:
ErWarum bellen Hunde beim Klingeln?
Biologisch betrachtet sind Hunde territoriale Tiere, die in einer festen sozialen Gruppe leben. Das bedeutet, sie leben in einem festen Gebiet, indem sie sich sicher fühlen, weil sie in diesem Territorium ausreichend Nahrungsressourcen und wetterfeste, geschützte Unterschlüpfe zur Verfügung haben, in denen sie sich ausruhen und den Nachwuchs großziehen können. Dieses Territorium wird mit Urin und Kot markiert, um es gegen Hunde einer anderen sozialen Gruppe abzugrenzen, denn Ressourcen sind nicht immer im Überfluss vorhanden und jede Gruppe versucht, durch das Inanspruchnehmen eines Territoriums ihre Sicherheit zu gewährleisten und die Überlebenschancen zu vergrößern.
Wir Menschen sind in diesem Punkt übrigens gar nicht so anders als Hunde. Auch wir leben oftmals in einer sozialen Gruppe, sei es einer Familie, einer WG o.ä. und grenzen uns von anderen ab, um unsere Ressourcen zu schützen. Aus diesem Grund sind unsere Haustüren abschließbar, unser Garten eingezäunt und unser Konto kennwortgeschützt. Auch wir sind nicht bereit, unsere finanziellen und Nahrungsressourcen mit wildfremden Menschen zu teilen.
Hunde würden in der Natur keinen Besuch empfangen. Für sie ist es absolut unlogisch, Fremde in ihr Kernrevier einzuladen, ihnen die besten Ressourcen aufzutischen und sie sich frei in unserem Zuhause bewegen zu lassen. Auch unseren Haushunden wohnt diese Veranlagung noch inne.
Das Klingeln wird mit der Zeit zur Ankündigung für Eindringlinge. Dein Hund weiß schließlich nicht, dass du die Menschen eingeladen hast, es unsere kulturell geprägten Umgangsformen es gebieten, ihnen etwas zu trinken und zu essen anzubieten und dass du den Menschen vertraust, dass sie euch keine Ressourcen unerlaubt wegnehmen, wenn sie helfen, den Tisch zu decken.
Für deinen Hund scheint das erstmal recht unübersichtlich und je nachdem, wie stark seine territoriale Veranlagung rassebedingt ausgeprägt ist und welche Erfahrungen er mit Besuch gemacht hat, versucht er durch das Bellen beim Ertönen der Klingel die Eindringlinge zu vertreiben.
Dein Hund sehnt sich nach Sicherheit.
Er versucht, seine oder sogar eure Sicherheit zu gewährleisten, indem er Besucher*innen verbellt, sie beim Reinkommen anspringt, ausbremst und dann erstmal gründlich abcheckt, um sich ein Bild von ihnen zu machen. Was nützt es da, wenn du ihm ein Leckerli gibst oder ihn mit dem Sprühimpulsgerät verschreckst? Du erhöhst dadurch nicht sein Sicherheitsempfinden. Du löst dein Problem, aber nicht seins.
Das Bedürfnis nach Sicherheit lässt sich nicht ausschalten, im Gegenteil, es vergrößert sich sogar noch dadurch, dass es nicht mehr ausgedrückt werden darf.
Das Denken kreist mehr und mehr um die Eindringlinge und darum, die verloren gegangene Sicherheit irgendwie wiederzuerlangen. Wenn das Verhalten nur unterdrückt wird, dann werden die zugrundeliegenden Emotionen immer negativer. Nicht selten fangen Hunde dann an, exzessiv ihre Pfoten zu belecken, bekommen Durchfall oder Ohrenentzündungen. Der Stress, den der Hund bisher nach außen getragen hat, darf nicht mehr sichtbar werden und so kehrt er sich nach innen und das bleibt niemals ohne Folgen.
Was kannst du für deinen Hund tun?
Du zeigst deinem Hund, dass du für seine Sicherheit sorgst.
Wenn dein Hund das bisher selbst in die Hand genommen hat, musst du zunächst einmal dafür sorgen, dass er nicht mehr selbst den Besuch händelt, sondern in eine Beobachtungsposition kommt, aus der er sehen kann, dass du das wunderbar alleine schaffst. Dazu ist Begrenzung oft hilfreich, sodass du alleine zur Tür kannst.
Das bedeutet z.B., dass dein Hund durch ein Kindergitter im Wohnzimmer begrenzt ist und von dort aus sehen kann, wie du die Tür öffnest, den Besuch entspannt begrüßt und ihn dann hereinbittest. Dein Hund kann sehen, dass du dich mit dem Besuch (also dem Eindringling) beschäftigst und dabei keine Anzeichen von Aufregung zeigst. Er kann riechen, dass du kein Adrenalin im Blut hast. Er kann hören, dass deine Stimme ruhig und freundlich ist. Du lebst also als Vorbild vor, dass der Besuch für dich keine Sicherheitsbedrohung darstellt.
Ohne Begrenzung sähe diese Situation wohl anders aus. Oft genug ist das Klingeln der Startschuss dafür, dass der Hund hektisch von der Tür ferngehalten wird, der Mensch kommt ins Schwitzen, wird nervös, schließlich wird er gleich mit einer Hand den Besuch grüßen wollen, während er mit der anderen seinen Hund davon abzubringen versucht, den Besuch anzuspringen. Alle Augen sind in der Regel auf den Hund gerichtet, der das als Auftrag zum Handeln versteht und gleichzeitig vom Menschen ausgebremst wird. Er versteht nicht, dass die Aufregung daher rührt, dass man vermeiden möchte, dass er den Besuch belagert. Für ihn liegt die Vermutung nahe, dass der Besuch der Auslöser für so viel Hektik und Aufregung ist und dementsprechend verhält er sich dann auch.
Im zweiten Schritt würdest du optimalerweise für den Hund sichtbar dem Besuch mit einer Handgeste einen Platz zuweisen und dich selbst zwischen Hund und Besuch platzieren.
Dadurch machst du klar, dass du den Besuch beeinflussen kannst und als Puffer zwischen ihm und deinem Hund agierst.
Getränke und Essen reichst du an, anstatt dass der Besuch sich selbst bedient und auch den Weg zur Toilette zeigst du über eine Handgeste.
Diese Maßnahmen sollten im Idealfall nicht ein Leben lang notwendig sein. Wenn dein Hund die Erfahrung gemacht hat, dass du die Situation im Griff hast, wird es schnell reichen, nur noch einen Bruchteil dieser Vorgehensweise durchzuführen.
Aber wenn dein Hund jahrelang die Erfahrung gemacht hat, dass nur durch sein Auftreten, das Bellen, das Anspringen, das Umschwänzeln des Besuchs gerade noch alles gut gelaufen ist, dann musst du anfangs etwas überdeutlich zeigen, dass du das auch locker alleine schaffst und so die Sicherheit deines Hundes und der gemeinsamen Ressourcen garantierst.
So kann dein Hund die Erfahrung sammeln, dass sein Verhalten nicht notwendig ist, weil seine Sicherheit durch dich gewährleistet wird, anstatt dass er selbst dafür auftreten muss
Bedürfnisse ernstnehmen & faire Lösungen finden
Natürlich ist das ein langfristiger Prozess und das Verhalten ändert sich nicht über Nacht – aber sind wir es unserem Sozialpartner, unserem Freund, unserem Schützling nicht schuldig, dass wir seine Bedürfnisse ernstnehmen und dafür sorgen, dass er sich wohlfühlt?
Das war nur ein Beispiel dafür, wie die Bedürfnisse deines Hunde sich in seinem Verhalten spiegeln. Auch bei anderen Verhaltensweisen lohnt es sich, einen Blick darauf zu werfen, welches Bedürfnis hinter dem „Problemverhalten“ deines Hundes steckt, um so eine Lösung zu finden, mit der ihr beide glücklich seid.
Wenn du Lust bekommen hast, herauszufinden, welche Bedürfnisse das Verhalten deines Hundes steuern, dann findest du hier den Online Themenabend „Was braucht mein Hund zum Glücklichsein?“, wo wir uns genau damit beschäftigen und ich dir Möglichkeiten zeige, eure Bedürfnisse unter einen Hut zu kriegen und damit auch unerwünschtes Verhalten zu verändern.
Wenn du euch in dem Beispiel des Türklingelns wiedergefunden hast, dann empfehle ich dir die dreiteilige Online Themenserie „Territorialverhalten verstehen & Sicherheit geben“.